Als im Dezember 2012 auf dem Bonner Hauptbahnhof eine blaue Tasche abgestellt wurde, filmte die Überwachungskamera den Mann, der sich anschließend aus dem Staub machte. Ein Glück, denn so konnte gezielt nach ihm gefahndet werden, schon nach wenigen Tagen wurde ein Tatverdächtiger gefasst. Ein Beispiel dafür, wie sinnvoll Kameraüberwachung an öffentlichen Plätzen sein kann. Andererseits: Hätte die Bombe gezündet wie geplant, hätte die Kamera das nicht verhindert.
Doch wie ist eine Videoüberwachung zu definieren und wer darf sie unter datenrechtlichen Gesichtspunkten überhaupt einsetzen? Im Gesetzestext (Paragraph 6b Absatz 1 Bundesdatenschutzgesetz) ist von einer “optisch-elektronischen Einrichtung” und “Beobachtung“ die Rede. “Die Beobachtung öffentlich zugänglicher Räume mit optisch-elektronischen Einrichtungen” ist näher als “Videoüberwachung” definiert. Der Gesetzesgeber positioniert sich mit dem Begriff der „Überwachung“ also wertend.
Auch viele Bürger assoziieren mit „Videoüberwachung“ Begriffe wie „Datenspeicherung“, „Überwachungsstaat“ oder „gläserner Bürger“. Die Kritiker der öffentlichen Videoüberwachung haben ihre Argumente: Wo Daten – in diesem Fall Videomaterial – gespeichert werden, besteht grundsätzlich auch die Gefahr des Datenmissbrauchs. Außerdem bleibt die reale Wirksamkeit einer öffentlichen Videoüberwachung fraglich, da es außer konkreten beispielhaften Ereignissen – wie etwa in Bonn – keine Messgröße gibt, an der ein solcher Erfolg sichtbar wäre.
Die Befürworter argumentieren mit der Sicherheit: Straftaten könnten aufgeklärt werden, weil Täter jetzt besser erkannt würden und der Tathergang rekonstruiert werden könne. Es heißt, die bloße Anwesenheit einer öffentlich platzierten Kamera habe präventive Wirkung. Potenzielle Täter oder Vandalisten verhielten sich anders, wenn sie offensichtlich beobachtet werden. Die schnelle Aufklärung von Straftaten mithilfe von Videoüberwachung wie beispielsweise beim Boston-Marathon 2013 hat die Akzeptanz in der Gesellschaft vergrößert.
Doch Beobachtung und Aufnahmen an öffentlichen Stellen sind mit einer Vielzahl von Rechtsregeln verbunden. Mit welcher Rechtfertigung darf in den Eingangshallen der Firmen, in Geschäften und auf Parkplätzen gefilmt werden? Wieder gilt es zu unterscheiden: zwischen privaten und öffentlichen Kameras. Eine Firma hat das Recht, in ihrer Eingangshalle oder auf ihrem Parkplatz eine Videokamera zu installieren, denn das gehört zum privaten Bereich der Firma. Da auch die Kölner Verkehrsbetriebe rechtlich eine GmbH sind, fühlen sich deren Kameras in den Stationen der U-Bahn zwar öffentlich an, sind es genau genommen aber nicht.
Im öffentlichen Raum, also auf Plätzen der Stadt, sollen Kameras zur Verfolgung oder Verhütung von Straftaten durch die Polizei dienen. Rechtlich sind die Aufnahmen durch den Paragraphen 15a ff des Polizeigesetzes von Nordrhein-Westfalen legalisiert. Dort heißt es: „Zur Verhütung von Straftaten kann die Polizei einzelne öffentlich zugängliche Orte, an denen wiederholt Straftaten begangen wurden und deren Beschaffenheit die Begehung von Straftaten begünstigt, mittels Bildübertragung beobachten…“. Diese Aufzeichnungen dürfen laut Gesetzestext für zwei Wochen gespeichert werden. Einzig bei der Verfolgung von Straftaten – wie zum Beispiel in Bonn – ist eine längere Speicherung erlaubt.
In Köln wurde die öffentliche Videoüberwachung bereits 2004 diskutiert. Die Stadt, einzelne Parteien und das Polizeipräsidium Kölns befassten sich in einem so genannten Hearing damit, wie nötig eine breite Kameraüberwachung an öffentlichen Plätzen sei. Für alle war die Situation schnell klar: Die Polizei, die für die Aufstellung solcher öffentlich positionierten Videoüberwachungsanlagen zuständig ist, befand die Stadt als sicher genug und riet von Kameras ab. Die Parteien und die Stadt sahen die Situation genauso.
Seitdem hat die Kriminalität in der Stadt allerdings zugenommen – vor allem im Bereich der Ringe. Trotzdem gibt es aber immer noch keine öffentliche Videoüberwachung. Die Polizei arbeitet unter dem Namen „OPARI“, der „Ordnungspartnerschaft Ringe“, mit dem Ordnungsamt der Stadt zusammen. Die Ordnungspartnerschaft kommt meist an den Abenden und Nächten vor Wochenenden und Feiertagen zum Einsatz. Immer dann, wenn vermehrtes Feierpublikum in der Innenstadt unterwegs ist, wird durch „OPARI“ die Präsenz der Beamten erhöht. “Fraglich bei der öffentlichen Überwachung bleibt ja, ob die Präsenz einer Kamera einen Täter von seiner Tat abhält, oder ob da nicht eher die Anwesenheit eines Beamten, der sich einem in den Weg stellen kann, hilfreicher ist”, erklärt Karlo Kreitz, Pressesprecher der Kölner Polizei. Die Ordnungspartnerschaft, die es seit dem Jahr 2000 gibt, habe sich bisher bewährt, so Kreitz. Noch nicht einschätzbar ist der Erfolg einer neuen Kooperation zwischen der IHK (Industrie- und Handelskammer), der Stadt, der Polizei und einigen Diskothekenbetreibern, die es seit diesem Jahr gibt. Private Kameras in den Eingangsbereichen der Diskotheken – so das Konzept – halten jeden Zoff fest. Auf diese Aufzeichnungen kann die Polizei dann im Bedarfsfall zugreifen. Die Aufzeichnungen würden aber im Rahmen des Datenschutzgesetztes nur in stündlichen Schleifen gespeichert und dann überschrieben, so Kreitz.
Was aber sollen dann die Kameras, die an hohen Eisenpfählen über einigen öffentlichen Plätzen Kölns thronen? Hartmut Sorich, Leiter des Amtes für Straßen und Verkehrstechnik der Stadt Köln, nennt sie bewusst “Verkehrsbeobachtungskameras”, weil sie lediglich dafür zuständig sind. Unter www.koeln.de können die Kölner Bilder von 16 Kamera-Kreuzungen in der Stadt sehen. „Eigentlich sollte das kein Dienst für den Bürger sein, sondern lediglich eine Informationsquelle für uns im Verkehrsamt. Die Veröffentlichung war eher Zufall“, so Sorich. Die Stadt kann durch die Beobachtung des Verkehrs Staumeldungen weitergeben. In der Verkehrsleitzentrale der Stadt nehmen die Mitarbeiter aufgrund der Stauinformationen teilweise auch Einfluss auf die Ampelschaltungen. Gespeichert werden die Bilder allerdings nicht. So sei es schon öfter vorgekommen, dass Anwälte oder die Polizei eine Anfrage an die Stadt gerichtet hätten, um ein Verbrechen aufzuklären. Hier habe man leider nicht weiterhelfen können.
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Die SPD Köln fordert Kameraüberwachung “in besonderen Situationen” und nur an Orten, die laut Definition des Bundesverfassungsgerichts gefährlich sind. Fraktionsgeschäftsführerin Barbara Lübbecke befürwortet die Videoüberwachung in Bussen und Bahnen der Kölner Verkehrsbetriebe und in städtischen Tiefgaragen. Sogenannte Angsträume – also dunkle Orte, die zu Gewalttaten animieren – will die SPD mit dem Projekt “Licht gegen Angsträume” bekämpfen: Dunkle Unterführungen und Brücken sollen dabei ausgeleuchtet werden. Grundsätzlich ist die SPD aber gegen ein Zuviel an Überwachung und sieht die Videoüberwachung maximal als Ergänzung der Polizeiarbeit an und nicht als Ersatz. Die Partei plant, sich in der neuen Ratsperiode erneut mit dem Thema auseinander zu setzen.
Auch die CDU spricht sich gegen flächendeckende Videoüberwachung aus. Lediglich Angsträume an KVB-Haltestellen eigneten sich, so Fraktionsgeschäftsführer Niklas Kienitz, für den Einsatz von Videoüberwachung.
Ulrich Breite, Fraktionsgeschäftsführer der FDP, spricht sich ebenfalls gegen eine flächendeckende Videoüberwachung aus. “Auf großen Plätzen, beispielsweise bei Demonstrationen, gilt das Grundrecht, sich frei zu bewegen vor dem Sicherheitsbedürfnis einiger weniger”, sagt er. Trotzdem ist die FDP für eine Ausweitung der Überwachung an KVB-Haltestellen und will auch prüfen, ob aus öffentlichen Geldern finanzierte Plätze überwacht werden sollen. Ähnlich wie die SPD will die FDP Licht einsetzen, um Angsträume zu bekämpfen.
Die Linke spricht sich vehement gegen eine Videoüberwachung im öffentlichen Raum aus. Fraktionsgeschäftsführer Michael Weisenstein weist darauf hin, dass die Kriminalitätsrate der englischen Hauptstadt London trotz Kameraüberwachung nicht gesunken sei. Die Linke fordert hingegen mehr Stadtpolizisten, Straßenbahnschaffner und Streetworker.
Die Piraten und PROKöln stimmen insofern überein, als dass sie die Überwachung der KVB abschaffen wollen. Auf keinen Fall sollen die Ringe überwacht werden.
Einzig die AfD plädiert in ihrem Wahlprogramm für einen Ausbau der Videoüberwachung im öffentlichen Raum. Ratsmitglied Hendrik Rottmann verspricht sich davon beispielsweise Erfolge im Kampf gegen organisierte Klaubanden. Die Standortbestimmung soll der Polizei überlassen werden.
Die Grünen thematisieren die Videoüberwachung in ihrem Wahlprogramm zur Kommunalwahl 2014 nicht und waren auch nicht zu einer Stellungnahme bereit.