Der Frage, warum Menschen sich Haustiere halten, ist Reinhold Bergler nachgegangen. Der Professor für Psychologie hat bis zu seiner Emeritierung die psychologischen Grundlagen von Mensch-Tier-Beziehungen erforscht.
Herr Professor Bergler, welches Haustier können Sie empfehlen?
Das Wichtigste ist: Das Haustier muss zum Menschen passen. Es kommt immer auf den Menschen an, auf dessen Art und Wünsche an. Jede Tierart stellt andere Anforderungen an ihren Halter und befriedigt andere Bedürfnisse.
Sie haben sich ja primär mit dem Haustier Hund beschäftigt…
Meiner Erfahrung nach kann ein Mensch die engsten Bindungen zu einem Hund aufbauen. Der Umgang mit Hunden erfüllt zentrale soziale Bedürfnisse von Menschen, etwa den Wunsch nach Partnerschaft und Freundschaft. Außerdem bietet ein Hund Unterhaltung, es macht Spaß, sich mit ihm zu beschäftigen. Ein weiterer Aspekt, den der Umgang mit einem Hund bietet, ist die soziale Anerkennung.
Wie kommt man denn über den Hund zu sozialer Anerkennung?
Es gibt zum einen die Anerkennung durch den Hund als “Herrchen”, von dem er abhängig ist und dem er treu zur Seite steht. Dadurch wird ein gewisses Bedürfnis nach Macht befriedigt. Zum anderen gibt es auch für den Hundehalter soziale Anerkennung durch dessen Mitmenschen, zum Beispiel wenn der Hund von Fremden gestreichelt wird. Ein Hund ist ein sozialer Katalysator. Gerade für Menschen, die wenig soziale Kontakte pflegen, bietet ein Hund die Möglichkeit, das eigene Leben aktiver zu gestalten und den Tagesablauf zu strukturieren. Diese soziale Aktivierung kann eine wertvolle Hilfe im Alltag sein. Gerade einsame und oft alte Menschen kommen über ihren Hund an neue Bekanntschaften. Manch einer verlässt nur wegen seines Hundes überhaupt das Haus. Auch Langzeit-Arbeitslose profitieren von einem Hund, weil er sie zu einem geregelten Tagesablauf zwingt und sie mit anderen Menschen in Kontakt bringt. Oder nehmen wir Menschen, die nach einem Schicksalsschlag in eine Lethargie verfallen sind: Sie können durch einen Hund wieder aktiviert werden.
Ein Hund leistet also eine Menge für den Menschen? Auf jeden Fall. Auch Kinder, die für ein Haustier Verantwortung übernehmen, haben etwas davon. Sie verbessern oft ihre schulischen Leistungen und ihre sozialen Kompetenzen. Im Falle von Ehescheidungen wurde beobachtet, dass Kinder, die einen Hund haben, oft besser über die Trennung der Eltern hinwegkommen, wenn sie das Tier behalten. Der Hund stellt hier nicht nur eine Ablenkung von den Sorgen, sondern ein Stück von Beständigkeit in der zerfallenen Familienwelt dar. Und wie sieht das mit Katzen aus? Eine Katze ordnet sich nicht unter. Damit wird aus der Anerkennung als Leittier, welche ein Mensch von einem Hund erfährt, fast ein gleichgestelltes Zusammenleben zwischen Mensch und Katze. Dafür bietet eine Katze Zärtlichkeit, oft mehr als ein Hund.
Und wie ist das mit Fischen? Aquarianer sind in der Regel ein ganz anderer Typ von Mensch. Der Aquarianer erschafft seinen eigenen Mikrokosmos. Hier kommt es weniger auf die direkte Kommunikation mit dem Tier als auf die eigene Kreativität an. Der Fischeliebhaber ist oft eher mit dem Modelleisenbahner zu vergleichen als mit anderen Tierhaltern, wenn man das so ausdrücken kann. Und was treibt den Menschen aufs Pferd? In der Regel sind es Frauen, die reiten. Gerade unter Reiterinnen ist eine überdurchschnittlich hohe soziale Position zu erkennen, bei Mädchen gute schulische Leistungen. Forschungen zeigen, dass das Hobby Reiten mit sehr viel Verantwortungsbewusstsein, Zielstrebigkeit und Motivation verbunden ist, also Eigenschaften, die auch im sonstigen Leben helfen. Es könnte aber auch daran liegen, dass Reiten ein sehr kostenintensives Hobby ist. Wer es sich leisten kann, hat vermutlich eine gute berufliche Stellung, und da ist es nur wahrscheinlich, dass diese Eigenschaften auf den Menschen zutreffen. Gibt es auch negative Aspekte von Mensch-Tier-Beziehungen? Kein Mensch profitiert durch die Anwesenheit eines Tieres, sondern nur durch die Interaktion. Man muss sich um sein Tier kümmern, mit ihm beschäftigen und Zeit investieren. Dabei kann es aber in zwei Richtungen Probleme geben. Zum einen kann ein Tier – aus Zeitmangel, Geldmangel oder Desinteresse – vernachlässigt werden. Die Folge mangelnder Pflege ist, dass zum Tier keine Bindung hergestellt werden kann. Dies geschieht auch bei emotionaler Vernachlässigung. Das andere Extrem, genauso schädlich für die Beziehung von Mensch und Tier, ist Vermenschlichung, übertriebene Fürsorge. Designerjäckchen für Hunde lassen das Tier als Tier verschwimmen. Wenn Geschmack und Spaß des Menschen über die artgerechte Haltung gehen, kommt ebenfalls keine gesunde, auf Gegenseitigkeit beruhende Beziehung zu Stande, und damit keine positiven Effekte für Tier und Halter.