Der Konflikt zwischen Jung und Alt, das ist doch seit Jahrtausenden ein ganz großes Missverständnis: Schon 2000 vor Christus berichten Keilschriften in Mesopotamien vom Ungehorsam der jungen Leute. Im 16. Jahrhundert ächzte der Philosoph Melanchthon darüber, wie schwer es sei, die Jugend zu erziehen. Und heute gucken die 68er in die Zeitung und sagen: „Furchtbar unpolitisch, die Jugend von heute. Wir sind ja damals noch auf die Straße gegangen.“ Und jetzt ist das alles endlich erforscht, alles empirisch belegt. Denn es ist zur Obsession der Alten geworden, zu untersuchen, welche Typen da eigentlich in ihrem Land aufwachsen.
Noch nie wurden junge Leute so sehr von Forschern durchleuchtet und mit Etiketten beklebt, wie die nach 1980 Geborenen. Fast könnte man sie die „Generation Forschungsobjekt“ nennen, würden die anderen Namen, die man ihnen verpasst hat, nicht schon längst ausreichen: 2008 zählte der Stern mal die kursierenden Generationennamen auf und kam am Ende auf fast vierzig – und es werden immer noch neue erfunden.
Ein bisschen mehr Kreativität hätte man sich von den Erfindern der Etiketten aber schon gewünscht: Der Anfänger nimmt einfach das neuste Jugendaccessoire („Generation Handy“, „Umhängetasche“, „iPod“). Wer seiner Studie einen leicht mysteriösen Anstrich geben will, sucht sich einen Buchstaben aus („Generation X“,“Y“,“Z“ – und „R“). Die Autoren, die ganz hoch hinaus wollen, streuen einen Anglizismus ein („Generation Maybe“, „Relaxed“, „Party“). Und jetzt kommt auch noch der Spiegel mit der „Generation Merkel“. Wer da nicht mehr durchsteigt, gehört dann halt zur „Generation Ahnungslos“ (oder schlicht „Doof“), so einfach ist das.
Und weil das alles so schön einfach ist, übernehmen wir Journalisten gerne die Begriffe aus den Studien. Oder wir erfinden gleich selbst welche, dann darf man vielleicht auch mal ein Buch drüber schreiben (wie die Kollegen hier, hier und hier (Amazon-Links zu Büchern „Generation Golf“, „Doof“ und „Maybe“)). „Generation Ahnungslos“, das ist doch griffig, das lässt sich erklären und einordnen. Selbst wenn man als Redakteur vielleicht das vage Gefühl hat, dass die Sache in Wahrheit doch ein wenig komplizierter ist: Differenzierung passt so schlecht auf die Titelseite. Außerdem klingt die Kombination „Generation + Gegenstand/Buchstabe/Anglizismus“ leider geil – um bei der Jugend zu bleiben.
Und so füttern uns die Generationenstudien Jahr für Jahr mit Lesestoff und stopfen unsere Sommer-, Herbst-, Winter- und Frühlingslöcher. 2014 haben wir über die „Generation Y“ diskutiert, der heiße Tipp fürs nächste Jahr ist jetzt schon folgerichtig die „Generation Z“ – diesmal geht’s um die verzogenen Kinder der Helikopter-Eltern. Und auch diese Diskussion wird bald schon wieder vergessen sein.
Doch ein Gutes hat die Flut der Studien: Die nach 1980 Geborenen wurden schon in so viele Schubladen gesteckt, dass sie sich aussuchen können, in welcher sie letztlich leben wollen: Hotel Mama („Generation Biedermeier“) oder raus in die Welt („Generation R“), Selbstausbeutung („Generation Praktikum“) oder Work-Life-Balance („Generation Relaxed“), politisch unbedarft („Generation Y“) oder interessiert (auch „Generation Y“). Kann jeder frei entscheiden. Dass das Geburtsjahr nur eine Zahl ist, sagen die Alten ja selbst am häufigsten.