„Es ist mehr als Feiern und Saufen“

Sie haben jeden Sommer mehrere Freiluft-Partys veranstaltet. Vor zwei Jahren sind sie aus der Szene ausgestiegen – ihre Namen wollen die drei Kölner dennoch nicht preisgeben. Nennen wir sie daher Hannes, Söhnke und David.

In Köln gibt es unzählige Kneipen und Clubs. Wozu also überhaupt spontane, unangemeldete Partys?
Hannes: Ich glaube, dass allgemein auf gesellschaftlicher Ebene eine Rückkehr zur Natur festzustellen ist. Dies hängt sicherlich mit unserem digitalen Zeitalter zusammen und kann wohl als Ausgleich zu diesem verstanden werden. Zudem erleichtern moderne Kommunikationsmittel spontane und halböffentliche Verabredungen enorm.
David: Um die Frage konkret zu beantworten: Wegen der privaten, persönlichen Atmosphäre – die kann kein Club bieten. Man ist unter Gleichgesinnten. Und es ist viel mehr als nur Feiern und Saufen.

Und zwar was bitte? Kritiker sehen das anders…
David: Ein wenig mehr persönliche Freiheit. Keine Zäune, keine Mauern, keine Bademeister, sondern einfach nur mitten in der Natur. Kritiker sehen das immer anders, darum heißen sie ja auch Kritiker.

Die Gegner schimpfen auf den Lärm und den Müll, den solche Feiern machen. Können Sie die überhaupt nicht verstehen?
David: Kann ich verstehen, das ist ja auch durchaus oft der Fall, dass da kleine Müllhalden zurück bleiben. Wir haben aber immer penibel alles aufgeräumt, meistens noch mit Hilfe von den letzten Gästen, die bis zum Ende durchgehalten haben. Wenn wir den Raum nutzen, dann verantwortungsbewusst, denn irgendwie muss man ja auch zeigen, dass es durchaus möglich ist Kritikern die Sorgen zu nehmen.
Hannes: In der Tat scheinen das aber nicht alle Veranstalter so zu sehen und es bleibt regelmäßig viel Müll liegen. Man muss sich allerdings nach einem sonnigen Sommertag nur einmal den Aachener Weiher oder ähnliche innerstädtische Parkanlagen anschauen, wieviel Müll da liegen gelassen wird. Das ist sicherlich keine Rechtfertigung auf seinen Veranstaltungen genauso unachtsam zu sein, relativiert die vorhandene Kritik allerdings auch ein wenig.

Sie hatten keinen Gewerbeschein, haben aber trotzdem Getränke verkauft…
Söhnke: Ja, wir haben ein bisschen Geld eingenommen. In der Regel haben wir damit unsere Unkosten gedeckt: Miete von Geräten, Energiekosten, Wareneinkauf, etc.. Bei gut besuchten Partys konnten wir einen Teil zurücklegen. Diese Rücklagen sind wichtig, falls mal neues Equipment angeschafft werden muss oder eine Veranstaltung doch ins Wasser fällt. Von einem kommerziellen Ansatz kann aber keinesfalls ausgegangen werden. Der Aufwand steht in keinem Vergleich zu den Einnahmen.

Aber es gibt Regeln. Haben Ordnungsamt und Polizei Sie einfach machen lassen?
Hannes: Polizisten gehen in der Regel nicht auf Konfrontation, sondern versuchen eher zu deeskalieren. Mit denen kann man reden. Die sagen: Was habt ihr denn hier Tolles gemacht? Das wollen wir nicht beenden. Macht doch bitte einfach ein bisschen leiser.
Söhnke: Das Ordnungsamt spiegelt die andere Seite der Medaille wieder. Dort wird penibel jede Machtposition gegenüber dem „Veranstalter“ ausgespielt und es gibt einen großen Autoritätsdrang, der Züge von Hochmut entwickelt. Die vom Ordnungsamt gucken auf alles, was sie ankreiden können: Ruhestörung, gewerbsmäßiger Verkauf von Getränken, Verwendung von Diesel-Generatoren in Grünflächen, Sicherheit, Müll.

Mussten Sie dann auch ordentlich blechen?
Söhnke: Nein das ist uns erspart geblieben. Ein einziges Mal habe ich 30 Euro gezahlt. Alles andere hat sich immer direkt geklärt. Uns wurde häufig gedroht, aber es gab keine großen Strafen.

Nochmal: Warum haben Sie sich den Stress nicht einfach gespart und Partys in Clubs veranstaltet?
Hannes: Ehrlich gesagt haben wir in Köln kaum einen Club gefunden, der uns bei gleichzeitig bezahlbare Miete und das von uns gewünschten Maß an Freiheit geben konnte. In der Kolbhalle haben wir ein paar Veranstaltungen machen können und waren sehr zufrieden, der rechtliche Status dort ist allerdings auch schwierig. Ansonsten haben wir kaum etwas gefunden, das halbwegs unseren Vorstellungen entsprach. Also sind wir nach draußen.
Söhnke: Wir sind dann erst einmal mit dem Fahrrad los und haben nach passenden Orten gesucht, in Parks und an Seen.
Hannes: Eine Party auf die Beine zu stellen ist ja auch keine große Magie. Ein paar Helfer, jeder trägt seine Fähigkeiten und sein Geschick bei: Einer kann auflegen, ein anderer macht Flyer, ein paar machen die Dekoration und ganz schnell hast du eine eigene Party.

War das nicht unglaublich aufwendig und teuer solche Partys zu organisieren?
David: Wenn wir an einem Samstag eine Party machen wollten, haben wir dienstags vorher entschieden wo. Am Freitag haben wir alle Einkäufe erledigt. Samstags haben wir uns morgens getroffen, Transporter und Generator geholt und abends zusammen alles aufgebaut. Die Party ging dann so bis zehn Uhr morgens, so dass wir insgesamt immer mindestens 24 Stunden auf Achse waren, alles noch human.

Ein Generator in Grünflächen zu verwenden ist in Köln verboten. War Ihnen das egal?
Söhnke: Ohne Strom funktioniert die beste Anlage nicht. Und verboten ist das alles ja eh.

Heute taucht auf jeder unangemeldeten Party die Polizei oder das Ordnungsamt auf. Ist mit den Feiern bald Schluss?
Hannes: Nein, ganz im Gegenteil. Die Behörden müssen akzeptieren, dass es diese Partys vermehrt geben wird und dass sich Leute den Raum nehmen. Wir würden gerne mit der Stadt in Dialog treten, wie es in anderen Städten auch funktioniert hat, allerdings ist die Stadtverwaltung hier in Köln enorm konservativ. Das hat uns alle zunächst auch sehr überrascht.

In Halle (Saale) hat die Stadt ein kurzfristiges Anmeldeverfahren eingeführt und Flächen für nicht-kommerzielle, spontane Freiluft-Partys ausgewiesen. Was halten Sie davon?
Söhnke: Es wäre schon gut, wenn es so etwas hier geben würde, aber ich bezweifle, dass dieses Konzept in einer Großstadt funktioniert. Die Legalität beinhaltet dann wahrscheinlich auch dementsprechende Auflagen, die den unkommerziellen und selbstgemachten Spirit kaputt machen würden.

Das ist Ihnen erspart geblieben – genau wie hohe Bußgelder. Warum sind Sie trotzdem ausgestiegen?
Hannes: Nach drei Jahren in der Szene hatte jeder von uns einmal Post vom Ordnungsamt bekommen.
David: Außerdem haben wir langsam die Kontrolle verloren. Auf der letzten Party waren rund tausend Leute. Wir kannten nur noch einen Bruchteil davon. Plötzlich hast du Gäste, die denken sie wären im Club und sauer werden, wenn es keine Cocktailbar gibt oder das Bier alle ist. Mal wurde Equipment geklaut oder kaputtgemacht. Manche Leute sind sogar mit Taxis in die Parks gefahren. Wir wollten dafür nicht mehr die Verantwortung übernehmen. Wie ein familiäres Miteinander hat sich das nicht mehr angefühlt.


Jurik über die Recherche: “Oft habe ich gehört: Öffentliche Parks dienen der Erholung. Was aber bedeutet Erholung? Auf meinen Streifzügen durch Kölns Wälder und Wiesen habe ich Menschen getroffen, die sich auf die unterschiedlichste Weise erholen, je nach Alter, Lebenssituation – und auch Musikgeschmack.”

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